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Wider die Angst

Viele meiner Freundinnen und Bekannten haben Angst. Vor der Zukunft. Seit Jahren. Wenn ich ihnen zuhöre, verstehe ich sie. Wenn ich still werde, beobachte und nachdenke erfüllt nicht nur Mitgefühl mit ihrem Leiden mein Herz, sondern auch eine leise Skepsis. Wie viele Momente des Friedens, der Schönheit, der Freude haben sie dadurch verpasst. Ist das zynisch? Ich meine: nein.

In einem Interview mit der "ZEIT" sagte die Zukunftsforscherin Florence Gaub vor kurzem etwas in der Art von: Die Menschen haben eigentlich immer Angst. Angst vor der ungewissen Zukunft. Der Trick, um als Zukunfstforscherin optimistisch zu bleiben besteht darin, sich zu fragen: "Was, wenn die Zukunft gut wird?" Denn diese Möglichkeit besteht ebenso wie diejenige, dass sie schlecht wird.


Jede Historikerin und auch jeder Leser klassischer Texte wird Florece Gaub zustimmen: jede Generation glaubte, dass es nach ihr schlechter wird. Dabei gab es, das sei zugegeben, Zeiten, in denen die pessimistische Perspektive naheliegender war, aber auch Zeiten, in denen sie wahrscheinlich primär gespiesen wurde allein durch die Angst vor dem Wandel.


Bei alledem ist eins aber sicher: Es bleibt nichts so, wie es ist.


Wenn wir ehrlich sind wissen wir es ja. Nur: diese Einsicht zuzulassen, das ist die Kunst. Es ist eine Kunst, in der Unsicherheit Sicherheit zu kultivieren. Eine Kunst allerdings, die lebensnotwendig ist. Wir brauchen innere Stabilität, Bodenständigkeit, Ruhe, Klarheit um geistesgegenwärtig handeln zu können. Wir müssen unser stürmisches Innenleben zumindest zeitweise beruhigen, um uns selbst und unsere Mitmenschen klar erkennen zu können, um uns selbst und andere mit Mitgefühl zu betrachten und das zu geben, was jetzt nötig und heilsam ist.


Byron Katie führt uns vor Augen, was geschieht, wenn wir uns der Angst ergeben:

"Wenn wir Angst vor der Zukunft haben, leben wir bereits etwas, von dem wir nicht wollen, dass es geschieht."

Kaum etwas ist eine so mächtige Triebfeder wie die Angst. Man kann annehmen, dass diese Einsicht bekannt ist, denn in den letzten Jahren wird kaum ein Gefühl, kaum eine Lebenshaltung medial so bespielt, wie die Angst. Irgendwo las ich die kluge Empfehlung, keine Artikel oder sonstigen Beiträge mehr zu lesen, die im Titel mit einem Fragezeichen versehen sind. Wie viele Hypothesen erreichen uns täglich, ja stündlich - und die meisten formulieren etwas Furchtbares, etwas Bedrohliches. Denn dies generiert Leserinnen und Klicks.

Ich finde dies schändlich und schädlich.


Bereits Gerorge Bernard Shaw brachte es auf den Punkt:

Angst ist die Triebfeder des Krieges."

Angst ist der Weg zur dunklen Seite. Angst und Schmerz sind die Vorläufer von Wut und Hass - Angst vor Verlust, vor dem Verletztwerden, vor Peinlichkeit und Blamagen, aber auch vor dem Unbekannten. Aus Angst werden wir engherzig und kurzsichtig, egoistisch und hart. Wollen wir das? Wollen wir irgend etwas oder irgend jemandem auf der Welt die Macht geben, unsere Seele und unser Wesen so zu beschneiden?


Von Franklin D. Roosevelt ist der Satz überliefert:

"Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Überzeugung, dass etwas wichtiger ist als die Angst."

Ich weiss nicht, von wem dieser Satz stammt, aber er gefällt mir:

"Angst ist eine Reaktion. Mut ist eine Entscheidung."

Der kluge Alan Watts differenziert sehr schön:

"Die Kunst des Lebens besteht weder darin, sich sorglos treiben zu lassen, noch darin, ängstlich an allem anzuhaften. Lebenskunst heisst, jedem Augenblick gegenüber sensibel zu sein, ihn als neu und einzigartig zu betrachten, während der Geist offen und empfänglich ist."


Tatsächlich braucht es Vorkehrungen, Bewusstheit und Entschlossenheit, wenn man der Angst widerstehen will. Es braucht Mut und auch Vertrauen. Vertrauen in das Leben und in einen selbst. Und den Mut, für seine Überzeugungen einzustehen, sein Herz und seine Seele nicht verdunkeln zu lassen, den Blick auf das Gelingende zu richten im Wissen darum, dass dort, und nur dort die Kraft zu finden ist. Die Kraft für das Gute, das Schöne, das Lebenswerte.









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