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Was das Leben reich macht

In der Yogatradition kennen wir eine schöne Meditationsübung: wir stellen uns Menschen vor, mit denen wir in irgendeiner Weise verbunden sind. Und schenken ihnen ein Lächeln und ein Dankeschön. Dafür, dass sie da sind. Diese Übung macht glücklich. Weshalb?


Die Glücksforschung weiss: es gibt wenig, was so zuverlässig glücklich macht, wie das Gefühl von Verbundenheit. Verbundenheit mit anderen Menschen, mit der Mitwelt, aber auch mit sich selbst. Bereits die alten Yogaschriften handeln im Kern ebenfalls davon: wie gelingt es uns Menschen, uns zu verbinden mit uns selbst? In dem Moment nämlich, da wir den Kontakt mit uns selbst, mit unserem eigentlichen ICH herstellen können, beantworten sich viele Fragen von selbst. Wir spüren uns selbst und erkennen, was uns gut tut. Wir kommen den verschiedenen Anteilen unserer Persönlichkeit auf die Spur - den starken, kompetenten ebenso wie den bedürftigen, unsicheren - und können sie wertschätzen als Teil dessen, was uns ausmacht. Wir erfassen, dass wir eingebunden sind in einen Kreis verschiedenster Menschen, die alle mehr oder weniger bewusst dazu beitragen, dass wir unser aktuelles Leben leben können: von unseren Liebsten über die Nachbarn, die Postzustellerin, den Verkäufer, die Ärztin bis zum Mitarbeiter der Müllabfuhr. Und wir erkennen, dass wir unsere Atemluft teilen mit allen anderen Menschen, Pflanzen und Tieren dieser Welt.

Diese Erkenntnis kann dazu führen, dass wir mehr Sorge tragen zu und besser umgehen mit der Welt, die uns umgibt, den Menschen um uns herum und uns selbst.


Wir Menschen sind soziale Wesen, ob wir nun die Gesellschaft anderer suchen oder eher introvertiert sind. Wir alle brauchen das Gefühl, Teil eines grösseren Ganzen zu sein - nicht zuletzt, weil in den ganz alten Teilen unseres Gehirns gespeichert ist, wie gefährlich ein Leben ausserhalb der schützenden Grenzen der Gemeinschaft sein kann. Und so kommt es, dass man sich unglücklich fühlen kann, auch wenn man Besitztümer angehäuft, materielle Sicherheiten eingerichtet, sich einen unangreifbaren Status erarbeitet hat. All das nützt nichts, wenn das Gefühl der Verbundenheit fehlt.


Der Weg, den der Yoga und auch die Glücksforschung vorschlagen, führt dabei über das eigene ICH. Dieses ist nicht zu verwechseln mit dem EGO, das quasi die äussere Hülle unserer Person darstellt. Das EGO bindet sich an die äussere Form, an Rolle, Status, Besitz und Erwartungen. Es ist unserem Bewusstsein zugänglich und uns sehr nah, da wir uns täglich damit beschäftigen. Doch wo ist das ICH? Wie komme ich damit in Kontakt? Wie fühlt es sich an? Spricht es überhaupt zu mir?


Es ist die Stille, die wir suchen müssen, um die leise Stimme des ICH wahrnehmen zu können. In der Stille der Meditation, vielleicht auch eines Waldspaziergangs oder beim intuitiven Malen beginnen sich die Wellen unseres Geistes zu glätten, kann sich unsere Wahrnehmung nach innen richten und da vielleicht mit der Zeit immer deutlicher spüren, wer und was wir wirklich sind. Etwas beginnt sich zu weiten, erhebt sich über die engen Grenzen unseres Körpers und kann in Verbindung treten mit all dem, was auch noch ist. Das kann das Gefühl der Verbundenheit in der Gegenwart sein, oder eine Ahnung davon, was von unserem ICH in Zukunft noch verwirklicht werden will.


Beides macht das Leben reich. Wie schön!

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