Im Yogaunterricht können wir viel für das Leben lernen. Weil wir mit dem Körper arbeiten, wird oft sichtbar, was sonst im Verborgenen geschieht. Beispielsweise können wir beobachten, wie Lernen funktioniert - oder was Lernen behindert.
KAPOTASANA - die Taube - ist ein wichtiges Yoga-Asana. Einige Yogaschülerinnen lieben diese Haltung, andere üben sie weniger gern. Für letztere ist dabei nicht die Rückbeuge und damit die Herzöffnung das Problem, sondern die nötige Mobilisierung der Hüftgelenke und die Dehnung des Psoas.
Unsere Hüften gehören zu den stärksten und stabilsten Knochenkonstruktionen in unserem Körper, und sie lassen sich nicht so einfach öffnen. Es braucht Geduld und Übung, denn wenn wir ASANAS wie KAPOTASANA regelmässig üben, werden die Hüftgelenke mit der Zeit flexibler, und die Position fühlt sich gut an.
Zuerst lehrt uns die "Taube" aber Akzeptanz - und etwas über das Lernen. Akzeptanz meint hier, unseren Köper zu akzeptieren, seine Grenzen anzunehmen. Denn die Hüften kann man nicht gewaltsam öffnen. Dafür sind sie zu stabil gebaut. Also ist es gut möglich, dass uns unser Körperbau mehr oder weniger stark herausfordert und spürbar Grenzen setzt. Dennoch bringt es viel, gerade Hüftöffnungsasanas oft zu üben. Und dabei können wir etwas über das Lernen lernen.
Stell dir drei unterschiedlich grosse Kreise vor mit einem gemeinsamen Mittelpunkt. Der innerste, kleinste Kreis stellt unsere Komfortzone dar. Hier haben wir uns eingerichtet mit unserem Körper, unseren Möglichkeiten, unserem So-sein. Als nächstes folgt der mittlere Kreis. Er stellt die Stretch-Zone dar. Dieser Kreis ist dehnbar. Er kann ausgeweitet werden, wenn er gut vorbereitet ist. Der äusserste, grösste Kreis steht für die Stresszone. Wenn wir hierher kommen, sind wir in der Überforderung, im Stress.
Lernen ist nur möglich in der Stretchzone. Wenn wir es zu gemütlich nehmen, es so richtig schön komfortabel haben, wenn wir also im innersten Kreis sind, bleibt alles so, wie es ist. Wenn wir uns unter Druck setzen, unsere Möglichkeiten überschreiten, uns überfordern, sind wir im Überlebensmodus, eben, im Stress. In diesem Zustand lernt man nicht. Da ist man am Kämpfen, am Überleben.
Im mittleren Bereich jedoch können wir an unseren Grenzen arbeiten, diese sachte ausweiten. Mit der Zeit wird damit der mittlere Kreis grösser - Entwicklung und Lernen findet statt. Dieses Prinzip gilt nicht nur für den Körper, sondern lässt sich auf jegliche Lernsituationen anwenden.
An Yogahaltungen wie zum Beispiel der "Taube" können wir dies prima üben. Unser Körper gibt uns laufend Rückmeldungen zu unserem Zustand. Fliesst der Atem? Spüre ich mich in der Haltung? Kann ich in der Haltung loslassen und zu mir finden? Kommen meine Gedanken zur Ruhe?
Wenn wir achtsam üben, dehnen wir unsere Möglichkeiten aus, ohne uns zu überfordern. Dann lernt unser Körper, dann lernen wir. Dann geschieht Entwicklung.
In einer sorgfältig gestalteten Yogalektion wird der Körper auf ein Zielasana vorbereitet. Die Übenden erkennen Schritt für Schritt ihre Möglichkeiten und Grenzen. Gerade hüftöffnende Haltungen lehren uns, diese Grenzen zu akzeptieren - und uns durch das Üben stetig weiterzuentwickeln, offener zu werden, geschmeidiger, lebendiger.
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