Mit Hingabe - und Menschen sind schön!
- karinfrey3
- 24. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Aug.
Ob grosse Kunst oder Musik als Hobby - sie gedeihen nur, wenn ein Mensch sie mit Hingabe pflegt. Vor kurzem durfte ich erleben, was Hingabe mit Menschen macht. Es macht sie schön!

Vergangene Woche besuchte ich das Franz Gertsch-Museum in Burgdorf. Franz Gertsch ist der Schweizer Künstler mit den überdimensional grossen Portraitbildern oder den ebenso riesigen fotorealistischen Bildern von Waldausschnitten oder Gräsern.
Besonders berührt hat mich ein Film über die Entstehung dieser Werke, der im Museum gezeigt wird. Man sieht den Künstler - ein damals betagter Mann -, der mit einem Hohleisen tausende von winzigen Kerben in eine einige Quadratmeter grosse Lindenholzplatte treibt. Diese Platte wird dereinst der Druckstock für ein Bild, das ins Überdimensionale vergrösserte Gräser zeigen soll. Nichts als Gräser.
Dann sieht man denselben Künstler in Japan, wie er, in Zusammenarbeit mit einem der bedeutendsten Papierkünstler einen passenden Papierbogen schöpft. Sie tun dies nicht allein. Rund um den Topf mit der noch flüssigen Papiermasse stehen etliche Menschen, die mit langen Stangen die Masse verquirlen und dann, als Krönung der Arbeit, den riesengrossen Papierbogen schöpfen. Wie das Papier auf den eingefärbten Druckstock mit den Millionen von Löchern gelegt wird, wie die Menschen den riesigen Bogen mit Sorgfalt und Hingabe mit ihren Händen auf die Holzplatten streichen, und wie dann der fertige Druck mit speziellen Hebegeräten vom Stock gehoben wird - das berührt im Innersten.
Weshalb wohl? Es ist doch nur Papier und Drucken - es sind Techniken, die man kennt, im Kleinen vielleicht schon selbst ausprobiert hat. Ist es die schiere Grösse des Papierbogens? Sind es die vielen Tausend kleinen Löcher des Druckstocks? Ist es die Grandiosität des Vorhabens?
Nachdem ich das Museum verlassen habe und die Bilder in mir nachwirken lasse, wird mir bewusst, dass es die Hingabe ist, die mein Herz berührt hat. Diese Hingabe, mit der der Künstler Franz Gertsch auf seiner Hebebühne steht, und Tag für Tag Löcher stanzt. Diese Hingabe, mit der Menschen nach allen Regeln der Kunst für ein aberwitziges Vorhaben wie so einen Riesendruck Papier schöpfen - mühsam und sorgfältig, mit Geduld und Fingerspitzengefühl. Was im Film kurz und kurzweilig gezeigt wurde - das Austüfteln der Idee, das Erstellen der Holzplatten, die Arbeit mit dem Hohleisen, das Suchen nach Möglichkeiten, so ein grosses Papierstück zu schöpfen - das war in Realität ein jahrelanger Prozess.
"Hingabe, die Tatsache, dass wir uns einer Sache vollkommen widmen, bedeutet, dass wir eine Absicht fassen, die sich nicht unbedingt in nächster Zeit realisieren lässt...Wenn wir eine Absicht fassen, die sich nur langfristig verwirklichen lässt, stellen wir den Kompass unseres Herzens ein. Wie schlimm die Stürme auch immer wehen mögen, wie schwierig sich das zu durchmessende Terrain auch gestalten mag, wie weit wir auch zurückgehen müssen, um ein Hindernis zu umgehen, unser Kurs ist klar." Dies schreibt Jack Kornfield in "Das weise Herz". Und er verweist auf all die Menschen, die Grosses vollbracht haben. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie sich und ihr Leben höheren Zielen verschrieben haben, die ihnen Sinn und eine Richtung vorgaben.
Es müssen nicht die ganz grossen Taten und Kunstwerke sein, die Hingabe verlangen. Wir erkennen sie immer dann, wenn wir Reinheit der Gedanken, Klarheit des Geistes und Aufrichtigkeit im Handeln antreffen. Und bestimmt bin ich nicht die einzige, die davon berührt wird.
So erlebte ich gestern in einer nahe gelegenen Kleinstadt ein kleines Musik-Festival. An verschiedenen Orten der Stadt konnte man Musikerinnen und Sängern zuhören, die Kostproben ihres Hobbys, der Musik, zum besten gaben. Alte und Junge, Instrumentalisten und Sängerinnen, in gösseren oder kleineren Gruppen wurde musiziert. Unterschiedlichste Musikstile und Gattungen kamen da zusammen und erfreuten Passanten und Gäste, die extra angereist waren. Eintritt wurde nicht verlangt - die Spendenkasse ging herum.
Vielleicht, weil ich nach meinem Museumsbesuch dafür sensibilisiert war kam es, dass ich auch hier wieder auf dieses Phänomen der Hingabe traf. Alle diese Hobbymusikerinnen und -musiker spielten und sangen mit Hingabe. Ganz vertieft waren sie in ihr Tun - nichts anderes schien zu existieren. Nur die eigene Trommel, der Rhythmus der Gruppe, das Sein im Tun.
Besonders schön aber war es zu erleben, was diese Menschen ausstrahlten: Ruhe, Freude, Frieden. So ist es wohl kaum verwunderlich, dass sie mir allesamt als schön erschienen. Ja, ich habe es gesehen: der Mensch, der sich mit Hingabe einer Sache widmet, die grösser ist als er selbst, dieser Mensch strahlt eine ganz eigene Schönheit aus.
Ruhe, Freude, Frieden - wie nötig haben wir diese drei. So kann es sich lohnen, wenn auch wir uns in nächster Zeit selbst vornehmen, "den Kurs unseres Herzens zu setzen", etwas zu finden, auf das wir unsere Motivation und Absichten ausrichten können. Denn sie sind die Samen, aus denen unsere Zukunft ersteht.
Aus dem alten China sind uns diese Worte überliefert:
"Aus der Absicht entspringt die Tat, aus der Tat entspringt die Gewohnheit, aus der Gewohnheit der Charakter, aus dem Charakter das Schicksal."




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