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Einatmen, ausatmen, loslassen

Das vielleicht wertvollste Kapital, das jede und jeder von uns besitzt, ist die Selbstheilungskraft des Körpers. Diese hat einen mächtigen Feind: den Stress. Stress entsteht nicht nur, aber auch, im Kopf. Der Yoga gibt uns Werkzeuge an die Hand, mit denen wir unser Nervensystem regulieren und damit den Körper beim gesund werden und bleiben unterstützen können.

Jeder Arzt, jede Apothekerin, jeder Therapeut weiss, dass fast alle gesundheitlichen Interventionen darauf abzielen, die Selbstheilungskraft des Körpers zu aktivieren. Ohne das Mittun der Patientin, des Patienten geht eigentlich nichts.

Jeder Körper verfügt über diese Kräfte, und sie wirken auch laufend, selbst, wenn wir es nicht bemerken. Wunden heilen, Viren werden abgewehrt, Schadstoffe werden ausgeschieden oder umgewandelt - ohne die Selbstheilungskräfte des Körpers wären wir nicht lebensfähig.


Nachdem in den letzten Jahren der Yoga seinen Siegeszug gerade bei Frauen der westlichen Kulturzonen angetreten hat, sind namhafte Gesundheitsinstitute dabei zu erforschen, ob und wie Yoga positiv auf den Gesundheitszustand der Menschen wirkt (hier findest du mehr dazu). Ob bei Rückenschmerzen, Schlafproblemen, Krebs oder depressiven Verstimmungen, mit regelmässiger Yogapraxis verbessert und verkürzt sich der Heilungsweg, sind weniger Medikamente nötig oder zeigen weniger starke Nebenwirkungen, verbessert sich der Gesamtzustand der Patientin. Man vermutet, dass es die Kombination von Körperarbeit und Stressmanagement ist, die so machtvoll wirkt.


Menschen, die Yoga praktizieren und auch regelmässig üben, erfahren es am eigenen Leib: die Yogakörperübungen (ASANA), die immer mit einer bewussten Atmung verbunden werden, die Atemübungen (PRANAYAMA) sowie die Meditationsübungen lassen uns nicht nur rascher in eine wohltuende gute Spannung kommen, sondern helfen, körperliche und mentale Verspannungen und Blockaden zu lösen, unsere Atmung zu vertiefen und damit den Körper mit Lebensenergie zu versorgen und den Geist zu beruhigen.


Damit wirken wir ganz gezielt auch auf unseren "Stresshaushalt". Dies ist von zentraler Bedeutung, denn man weiss seit langem, dass Stress einer der Hauptfeinde der Selbstheilungskräfte des Körpers ist. Nicht nur das - Stress schwächt die Abwehrkräfte, macht anfällig für unspezifische Rückenschmerzen, Erkältungen, Kopfweh und so weiter. Problematisch ist nun, dass gerade der Umstand, dass man krank geworden ist oder nicht schlafen kann den Stresspegel erhöht - auch wenn man sich noch so sehr wünscht, man wäre tiefenentspannt. Das Denken beginnt ein rasantes Eigenleben zu führen, das unsere Drüsen unerwünschte Hormone ausschütten lässt, die Atmung verkürzt, den Puls hochgehen lässt und uns immer mehr von uns selbst und unserer Kraft entfernt.


Nicht nur Krankheit verursacht Stress - wir wissen es-, sondern alles mögliche des alltäglichen Lebens kann Stressor sein. Lärm, die Chefin, die Kinder, Geldmangel, der kranke Vater, Kriegsangst, Zeitdruck - es gibt wenig, das nicht Stress auslösen kann. Von zentraler Bedeutung ist, dass Stress entsteht in einem Zusammenspiel von äusserem Anlass und innerer Reaktion resp. dem Denken über diesen Anlass.


Die gute Nachricht: Wir sind dem, was uns passiert, nicht wehrlos ausgeliefert.

Viktor Frankl, der wunderbare Arzt, dem wir wegweisende Erkenntnisse zum Umgang mit Stress verdanken, gibt uns diesen Gedanken mit:

"Ich kann nicht beeinflussen, was man mir antut. Aber ich kann entscheiden, wie ich darauf reagiere."

Dass damit nicht gemeint ist, sich mit allem abzufinden, versteht sich von selbst. Ich kann mich jedoch dafür entscheiden, den ersten (Stress)Reaktionen meines Körpers etwas entgegenzusetzen, meine Gedanken bei Gelegenheit in Ruhe zu betrachten und mir zu überlegen, ob ich ihnen folgen will. Das klingt jetzt vielleicht etwas gar abgeklärt, weil man in Zeiten der Not sich nicht so einfach hinsetzen und reflektieren kann.


Wie gut ist es dann, wenn man sich daran erinnert, was uns der Yoga lehrt, und was wir im Yogaunterricht üben: der mächtigste Hebel, den wir haben, um auf unser Nervensystem zu wirken, ist der Atem. Allein schon die Konzentration auf das Ein- und Ausatmen kann bedeuten, dass sich der Geist für einige Minuten ausruhen kann, weil das Gedankenkarussell unterbrochen wird. Wenn wir uns bewusst sind, dass wir mit einer verlängerten Ausatmung unser Nervensystem beruhigen, dass wir mit einer rhythmischen Atmung Ausgewogenheit zwischen An- und Entspannung erzeugen können, dann merken wir, dass wir ganz aktiv einen wesentlichen Beitrag zum gesund bleiben oder gesund werden leisten. Und dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit wiederum erzeugt Zufriedenheit, was sich ebenfalls positiv auf unseren Allgemeinzustand auswirkt.


Meistens ist es schwierig, aus einem Erregungszustand in die Ruhe zu kommen. Deshalb wählen wir im Yogaunterricht den Weg über den Körper. Indem wir ihn dehnen, strecken, unsere Aufmerksamkeit auf Bewegungsabfolgen richten oder darauf, das Gleichgewicht zu halten, helfen wir, Verspannungen zu lösen, Energie fliessen zu lassen, die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Weiter führt der Weg über den Atem, und irgendwann, wenn wir ruhig auf dem Kissen sitzen, wird es möglich, sich von den Gedanken, die unser Geist produziert, zu lösen, sie loszulassen.


Hier eine kleine Übung:

Setze oder legen dich bequem hin, richte den Timer auf 5 Minuten. Schliesse die Augen, richte deine Aufmerksamkeit auf den Atem. Lass ihn etwas langsamer und tiefer werden, aber ganz entspannt und leicht.

Beim Einatmen sagst du dir nun innerlich: "Ich atme ein."

Beim Ausatmen sagst du dir: "Ich atme aus."

Beim nächsten Einatmen sagst du dir: "Ich lächle." (Und vielleicht heben sich dabei sogar deine Mundwinkel ein kleines bisschen.)

Beim Ausatmen sagst du innerlich: " Ich lasse los."

Wenn sich der Timer nach 5 Minuten meldet, beendest du die Übung. Schau mal, wie es dir nun geht?


Diese kleine Konzentrationsübung kann helfen, Stress zu reduzieren. Und jetzt weisst du auch, dass du damit deinen wertvollen Körper dabei unterstützt, gesund zu sein, zu werden, zu bleiben.



1 opmerking


yvonne.voegele
03 mrt

Wie immer grossartig dein Text Karin!

Herzlichen Dank! 🙏🏻

Yvonne Vögele

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