Betrachten wir die aktuelle Weltlage, treffen wir auf unendlich viele Bedingtheiten: alles, was geschieht, ist Folge von etwas Vorangegangenen. Ursachen und Wirkungen - wir kennen es. Die östliche Philosophie kennt dafür auch den Begriff des KARMA. Um KARMA zu verstehen, muss man nicht zwingend an Wiedergeburt glauben. Bereits im aktuellen, sehr irdischen Leben erlebt jede von uns täglich die Auswirkungen ihres Handelns. Sind wir also gefangen in Zwängen? Gibt es unter dieser Prämisse überhaupt Freiheit, wie sie der Yogaweg anstrebt? Und gibt es Entscheidungsfreiheit innerhalb einer Biografie?
Wir Menschen sind nicht in der Lage, die Auswirkungen all unserer Handlungen abzusehen. Erinnerst du dich an das Spiel "Oekopoly", das so in den 1980er-Jahren bekannt wurde? Bei diesem Spiel hat man die Möglichkeit, die Welt so zu gestalten, wie man es für richtig erachtet. Das Spannende ist, dass man erleben kann, welche Auswirkungen bestimmte Entscheide haben - Auswirkungen, die man so vielleicht gar nicht erwartet und schon gar nicht gewollt hat. Man erkennt also die Komplexität von Systemen - oekologischen, politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Systemen. Darob kann man fast verzweifeln, denn man wird diese niemals durchschauen. Und man erkennt, dass auch so genannt künstliche Intelligenz (KI) nur sehr bedingt damit umgehen kann, weil sie ja nur Vergangenes hochrechnet, nicht wirklich Neues in die Welt bringen kann - zum Glück!
Was heisst das aber nun für unser Handeln? Sollen wir aufgeben, passiv werden? Oder kommt es eh nicht darauf an, und wir können tun und lassen, was wir wollen? In der Yogaphilosophie finden wir den Gedanken, dass es duchaus Handeln gibt, das nicht weiteres (unglückliches) KARMA nach sich zieht. Dass es also ein Handeln gibt, das sich mit der Komplexität des Lebens arrangiert oder sich vielmehr darein fügt. Die Geschichte dazu findet sich in der BHAGAVAD GITA. Ich will diese hier nicht nacherzählen. Vielmehr komme ich gleich zum Kern. Die weisen Schriften empfehlen uns ein Handeln nach bestem Wissen und Gewissen, ohne an den Ergebnissen anzuhaften. Weil wir die Ergebnisse unseres Handelns eben nicht absehen können. Was heisst das?
Jede und jeder von uns, so die Prämisse, hat Zugang zu einer tiefen Weisheit. Diese hat wenig zu tun mit tagespolitischem oder wirtschaftlichem Wissen, mit Erlerntem und Gehörtem. Vielmehr findet man sie tief in sich selbst, indem man ganz still wird. Dann verstummen das Geplapper des Geistes , das Gebrumm der Umwelt, die schrillen Stimmen der Medien, und wir können erahnen, was jetzt genau zu tun ist, was das Richtige ist. Es ist das Herz, das dann spricht. Das Herz mit seiner ganz eigenen Weisheit, das wir nur hören können, wenn wir ganz still werden.
Dieses still Werden kann auf verschiedene Arten unterstützt werden. Bekannt sind Meditations- und Achtsamkeitstechniken, ebenso wie Körper- und Atemübungen. Diese sind aber nicht jedermanns Sache. Weshalb also nicht einmal versuchen, auf andere Art das Denken zu befreien und aus dem Kopf ins Herz zu kommen?
Ich habe entdeckt, dass für mich auch das Malen ein wunderbarer Weg dafür ist. Nicht das Malen von Bildern, nicht das Umsetzen von bestimmten Ideen und Anwenden von Techniken. Vielmehr das spielerische Erproben von Materialien, das freie Fliessenlassen, das Eintauchen in Bewegungen meiner Hände, die ich nur noch sehr bedingt lenke. Ich lasse so bekannte Konzepte los, mein Geist kommt zur Ruhe, meine Körper macht neue Erfahrungen, vor meinem staunenden Auge enstehen neue Gebilde, von denen ich nicht wusste, dass ich sie in mir trage.
Damit lege ich einen Pfad an, den ich öfter und weiter gehen kann. Einen Pfad, der in die Stille führt und dahin, wo stimmiges Handeln seinen Ursprung nimmt. Aus diesem Sein kann ich dann versuchen zu erkennen, was jetzt gerade das Richtige sei, das Nötige, das, was ich an dieser Stelle beitragen kann zum grossen Ganzen. Dass ich letzteres verstehe, entscheidend beeinflussen, massgeblich verantworten kann, das ist nicht möglich und auch nicht nötig. Das grosse Ganze ist so viel weiser organisiert, so viel intelligenter und vielschichtiger, dass mein Beitrag sicher wichtig ist - und es auch darauf ankommt, welche Qualität dieser hat -, ich aber auch darauf vertrauen darf, dass da noch andere Kräfte wirken.
Im Yoga ist es SHRADDAH, das Vertrauen, das uns leitet auf einem guten Weg. Das Vertrauen führt uns zum Wissen, sagt die BHAGAVAD GITA. Vertrauen finden wir in uns selbst. Dort ruht die Erfahrung, dass wir getragen sind - selbst wenn es uns im Leben schüttelt und wir, wie alle Menschen, Tiefen durchleben müssen.
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