Wir Menschen können uns sehr gut vorstellen, was alles schief gehen könnte, wenn wir etwas wagen wollen: "Was, wenn es mir misslingt?" Oft verabschieden wir uns dann von einer Idee, bevor sie richtig auf die Welt kommen konnte. Wie wäre es, wenn wir öfter denken würden: "Was, wenn es mir gelingt?"
Auch wenn du von dir denkst, du seist ein eher fantasieloser, nüchterner Mensch, steckt dein Kopf voller Geschichten, die du dir erzählst und voller Bilder, die deine Wahrnehmung prägen. Wir alle haben beispielsweise ein Bild von uns selbst. Wir erachten uns als mutig oder eher ängstlich, als fantasievoll oder pragmatisch, sportlich oder bequem und so weiter. Dieses Selbstbild setzt sich zusammen aus persönlichen Erfahrungen, Kommentaren, die wir über uns gehört haben, Gedanken, die wir uns über uns selbst machen, vielleicht auch aus Wünschen, wie wir gerne wären.
Interessanterweise gibt es oft genug nicht wenige Menschen, die uns aber ganz anders sehen, selbst wenn sie uns gut kennen, und viel Zeit mit uns verbringen. Selbst- und Fremdbild sind also oft nicht deckungsgleich. Genauso wenig muss unser Selbstbild deckungsgleich sein mit dem, wie wir wirklich sind. Vielmehr ist es nur normal, dass wir aus den unendlich vielen Informationen, die wir täglich über uns selbst zurückgespiegelt bekommen und aus den unzähligen Erfahrungen, die wir machen, nur einige wenige aufnehmen und abspeichern können. Diese sind es, die die Fortsetzung unserer Geschichten über uns selbst prägen und unser Selbstbild ausdifferenzieren.
Die interessante Frage ist nun, was wir aus all dem Erlebten und Gehörten auswählen und unserem Erfahrungsschatz beifügen, und wovon diese Auswahl bestimmt wird. Auf den Punkt bringt es wohl Anaïs Nin, wenn sie schreibt :"Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, wir sehen sie so, wie wir sind."
Wenn dem so ist, lohnt es sich vielleicht, öfter ganz bewusst die Perspektive zu verändern. Vor allem wenn wir möchten, dass etwas Bestimmtes anders wird. Es lohnt sich, sich begrenzende Glaubenssätze bewusst zu machen und sie - einfach einmal probehalber, so quasi aus Spass - umzukehren. Aus "Ich kann nicht malen." wird dann "Ich kann malen." Was geschieht dann? Lockt da nicht der Griff zu einem Farbstift - einfach so, aus Neugierde? Aus "Ich bin halt keine Schönheit." wird "Ich gefalle mir." Verändert sich da nicht der Blick in den Spiegel - und die Person, die mir aus dem Spiegel entgegenblickt?
Die buddhistische Psychologie lehrt uns das Prinzip: "Was wir immer wieder visualisieren, verändert unseren Körper und unser Bewusstsein. Stell dir Freiheit und Mitgefühl vor."
Visualisierungen sind nichts anderes als innere Bilder oder Geschichten, die wir ganz bewusst wählen. Meist arbeiten wir im Yogaunterricht oder im Rahmen einer Meditationspraxis damit. Wir nutzen die Symbolkraft von Figuren oder Bildern, die Liebe, Hingabe, innere Schönheit und Mut darstellen. Wir richten unser Denken und Fühlen aus auf heilsame Qualitäten, die uns weiter bringen, uns befreien. Wir visualisieren sie, damit diese Energie unser Dasein durchdringt, unsere Wahrnehmung lenkt und uns so andere Erfahrungen ermöglicht.
Das genannte Prinzip schlägt vor, Freiheit und Mitgefühl zu visualisieren, was vielleicht nicht ganz einfach ist, da beide Begriffe mit Vorstellungen gefüllt werden müssen. Helfen kann, wenn man sich an Freiheit und Mitgefühl orientiert (und damit sich selbst in seiner ganzen Grösse und Unbegrenztheit und die anderen und die Erde in ihrer ganzen Würde einbezieht), und intuitiv Bilder zu einem erstrebenswerten Dasein entstehen lässt.
Versuche es einmal mit einem Gedankenexperiment und ergänze diese Sätze:
"Wenn ich frei wäre, würde ich...."
"Wenn ich selbst entscheiden könnte, würde ich..."
"Am liebsten würde ich..."
"Eigentlich möchte ich..."
Und dann stell dir vor, es gelingt. Stell dir vor, wie es sich anfühlen würde, wenn du dieses Ziel erreicht hast. Visualisiere es. Fühle dich hinein in dieses Bild und fülle es mit Leben.
Dann frage dich: Was wäre der nächste, auch winzig kleine Schritt auf diesem Weg?
Und dann tue ihn.
Sei dabei bescheiden, konzentriere dich auf das Machbare. Julia Cameron findet in ihrem Buch "Der Weg des Künstlers" das hübsche Bild, dass der erstrebte Zustand vielleicht ein Leben in einer italienischen Stadt ist - und man sich in einem ersten Schritt auf dem Weg dahin einen Cappuccino in der eigenen Küche zubereitet und diesen so recht von Herzen geniesst.
Nein, das ist kein Hohn. Dieses Bild arbeitet mit der Erkenntnis, dass einen jeder Schritt hin zu einem angestrebten Ziel verändert. Entscheidend dabei ist die Ausrichtung des Denkens und Fühlens (womit auch geklärt wäre, dass einen nicht automatisch jeder Cappuccino dem Traumhaus in Italien näher bringt).
Ich schlage dir vor, in den nächsten Wochen mit Visualisierungen zu experimentieren. Wähle dafür eigene Bilder oder lass dich inspirieren von Meditationen, die dich anziehen. Wenn du Freiheit und Mitgefühl als Orientierungsgrössen wählst, kann nichts schief gehen.
Und dann stell dir vor, du wagst etwas, und es gelingt...
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