Der Vergleich ist der Dieb der Freude, sagt man. Und Forschungen zur Zufriedenheit bestätigen es: sobald Menschen anfangen, Dinge, an denen sie sich freuen, mit anderen zu vergleichen, weicht die Freude. Unzufriedenheit macht sich breit. Offenbar neigen wir dazu, uns ständig umzuschauen nach dem Grösseren, Schöneren, Besseren - und es dann haben zu wollen. Doch wollen wir das tatsächlich? Selbst wenn der Preis dafür die Freude ist?
Vermutlich ist es nicht der Vergleich an sich, der uns das Leben schwer macht, sondern die Wertung, die damit einher geht. Nicht wahr, wenn wir die Rosen meines Gartens miteinander vergleichen, dann stellen wir erst einmal nur fest, wie verschieden sie sind. Sie unterscheiden sich in Farbe, Grösse, Form, Duft. Was für eine Vielfalt! Was für ein Wunder!
So lange wir beim Staunen über die Vielfalt bleiben können, wird uneingeschränkte Freude herrschen. Sobald sich aber eine Wertung einschleicht, kann es schwierig werden. Sind gefüllte oder ungefüllte Rosen wertvoller? Edelrosen oder Wildrosen? Blühen gar in Nachbars Garten mehr Rosen oder zeigt sich dort eine grössere Vielfalt? Diese Überlegungen werden gesteuert von Gedanken zum Wert einer Sache: Schönheit, Ausgewogenheit, Nutzen (für die Bienen, den Betrachter, die ökologische Vielfalt...), Gartengestaltung, finanzieller Wert...- es gibt unendlich viele Aspekte, unter denen Dinge des Lebens betrachtet werden können. Je nach Kontext berühren sie uns mehr oder weniger, und je nach "Teich", in dem wir schwimmen, verändert sich der Massstab. Lebe ich in einer städtischen, verdichtet überbauten Siedlung, bin ich vielleicht mit meinen drei Rosenstöcken führend unter den Gartenliebhaberinnen. Die gleichen drei Rosenstöcke machen aber auf dem Land, in einem Quartier mit grossen, gepflegten Blumengärten, viel weniger her. Im einen Kontext macht mich der Vergleich vielleicht stolz - aber nur, bis der nächste Rosenliebhaber kommt, und mich übertrumpft, oder bis mir jemand sagt, Rosen seien niemals so wertvoll für die Bienen wie ein anderes Gewächs. Im anderen "Teich", der Landgartenidylle, treibt mich der Vergleich vielleicht zu immer höheren Leistungen an, mein Garten wird immer bunter und traumhafter - aber zu welchem Preis?
Beim Malen übe ich das Staunen. Ich übe mich darin, Vielfalt zu schätzen. Ich möchte das Werten verlernen und so meiner Kreativität mehr Raum geben. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich Versuche frühzeitig abbreche, innerlich feststelle, dass "es" nicht schön/gut/neu/... genug sei. Dabei merke ich, wie leicht ich ins Vergleichen komme, wie schnell ich es auch so "gut" machen möchte, wie die anderen - was auch immer "gut" in diesem Zusammenhang meint. Wahrscheinlich hat mich das Vergleichen mit anderen und das Bewerten von Leistung in meinem Leben weit gebracht. Ich habe verinnerlicht, was in unserer Gesellschaft als wertvoll gilt, und was weniger Erfolg bringt, und mich beruflich daran orientiert. Doch zu welchem Preis?
Kreativität braucht Raum. Raum entsteht, wenn wir Dinge zulassen, wenn wir uns zurückhalten mit werten und einfach staunen. Könnten wir wohl in unseren Gärten eine so wundervolle Vielfalt an Blütenformen bewundern, wenn sich die Schöpfung nur auf die Optimierung eines bestimmten Schönheitsmerkmals fokussiert hätte?
Manchmal beginnt eine neue Haltung mit dem Verwenden von anderen Begriffen. Für mich ist es der Begriff STAUNEN. Er öffnet mir die Augen (und das Bewusstsein) für den Wert der Vielfalt. Das Staunen macht mich froh. Und so übe ich mich darin, gerade wenn mir Irritierendes begegnet, mir innerlich zu sagen, dass ich darüber staune.
Es macht einen Unterschied. Probier es aus!
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