Die meisten Menschen besuchen den Yogaunterricht, um gesund und fit zu werden oder zu bleiben. Zudem verspricht man sich davon Glück und Zufriedenheit. Doch was, wenn man krank wird? Muss man dann auf Yogaglück verzichten? Ein Blick in die Yogaschriften gibt Antwort.
Meist strahlen uns schöne Menschen in ansprechenden Posen von Yogabildern entgegen. Das hat unterschiedliche Auswirkungen. Zum einen erhoffen sich viele Leute vom Yogaunterricht Schönheit, Glück und Gesundheit. Zum anderen denken nicht wenige, dass es für die Yogapraxis einen perfekten Körper brauche. Und da wir Menschen uns so stark mit unserem Körper identifizieren, wirkt oft die Annahme aus dem Hintergrund, in einem gesunden Körper wohne ein gesunder (und damit auch glücklicher) Geist, was uns ein berühmtes lateinisches Sprichwort auch so vermittelt. Doch stimmt das?
Wenn wir die alten Yogaschriften nach dem Stichwort "Glück" durchsuchen, stossen wir auf vielerlei Umschreibungen, aber niemals auf ein Wort, das sich einfach mit "Glück" übersetzen liesse. Dies vielleicht deshalb, weil Glücksgefühle in der Regel intensiv und wunderschön sind, aber auch sehr vergänglich. Kaum jemand kann sie über lange Zeit aufrecht erhalten. Vielmehr bemühen wir uns, sie immer aufs Neue auszulösen oder - meist vergeblich - festzuhalten. Heute wissen wir, dass Glücksgefühle von Hormonen gesteuert werden, und dass sie, wie auch andere intensive Gefühle, nur kurz anhalten können. Der Yoga aber interessiert sich für das Überdauernde, das Wesentliche, das bleibt. Und so fragt er danach, was uns Menschen dabei hilft, über längere Zeit zufrieden zu sein.
Die alten Yogaschriften sind in der Kunstsprache Sanskrit verfasst und erfordern eine Übersetzung. Im Philosophie-Atlas von Eckard Wolz-Gottwald finden wir etwa den Begriff PURNA, der "Leben aus der Fülle" bedeutet. Oder ANANDA, das mit "innere Glückseligkeit" übersetzt werden kann. Vielleicht entspricht auch SAMATVA, also "Ausgeglichenheit" dem, was man unter Glück verstehen kann. Immer aber erkennen wir, dass das Glück im Yoga mit einer inneren Einstellung zu tun hat.
In den UPANISHADEN finden wir das KOSHA-Modell, ein Modell, das die menschliche Existenz in Dimensionen einteilt. Diese Dimensionen werden grafisch dargestellt als Hüllen, sie sich umgreifen und durchdringen. Da gibt es die materiell-sinnliche Dimension mit dem Körper, den Körperwahrnehmungen und den Energieströmen. Es folgt die seelisch-geistige Dimension, die Denken und Fühlen umfasst. Und es gibt das Absolute, das den Kern jedes lebendigen Wesens ausmacht. ANANDA, die Glückseligkeit, ist im inneren Kern angesiedelt. Sie verweist auf die Erfahrung der inneren Mitte, und sie kann nur geistig erfahren werden.
Es gibt Momente oder gar Zeiten im Leben, da wir uns ganz eins fühlen mit uns selbst. Körper, Geist und Seele schwingen in Einheit, wir fühlen uns lebendig und verbunden mit uns selbst und dem Aussen. Es sind dies wohl Momente, da der Mensch Glück empfindet. Interessanterweise sind solche Erfahrungen nicht an körperliche Unversehrtheit gebunden. Und selbst in Zeiten der Trauer oder innerer Zerrissenheit ist es möglich, tiefe Glücksgefühle und Gefühle der Dankbarkeit zu empfinden.
Der Yogaweg unterstützt solche Erfahrungen auf mancherlei Weise, weshalb viele Menschen während und nach der Yogapraxis Glück empfinden. Die ASANAS ermöglichen, den Körper wahrzunehmen, zu dehnen und der Lebensenergie, harmonisch zu fliessen. PRANAYAMA, also Atemübungen, unterstützen die Selbstwahrnehmung. Meditationsübungen fördern die Achtsamkeit und die Fähigkeit, den Geist zu sammeln, zu beruhigen aber auch wahr- und anzunehmen, was ist. All dies sind die Grundzutaten für Glücksgefühle. Sie ermöglichen ein Leben aus der Fülle, Ausgeglichenheit und sich verbunden zu fühlen mit sich selbst und allem, was uns umgibt.
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