Kürzlich begegnete mir dieser Gedanke Mark Aurels:"Wie du am Ende deines Lebens wünschest gelebt zu haben, so kannst du jetzt schon leben." Klingt einfach, ja simpel, und ist doch gar nicht so selbstverständlich. Oder?
Futur II ist eine Zeitform von Verben, die wir vielleicht als eher exotisch betrachten. Wer verwendet sie schon, diese "Zeitform der vollendeten Zukunft", die etwas Hellseherisches an sich hat? Nehmen wir zum Beispiel das Verb "leben". Konjugiert im Präsens kennen wir es gut: "Ich lebe." Auch im Futur I, also in der Zukunftsform, verwenden wir es: "Ich werde leben.", zum Beispiel in Frankreich. Aber Futur II? "Ich werde gelebt haben."???
Eigentlich geht es genau um diese Verbform, die Mark Aurel im eingangs zitierten Gedanken anspricht. Ich greife sie hier nicht auf aus Lust an der deutschen Grammatik. Vielmehr fasziniert mich das Gedankenexperiment, das damit einher geht.
Ein anderer Spruch führt uns dahin. "Wir sollten früher aufhören, später zu sagen." Irgendwann werden die meisten von uns zurückblicken auf unser Leben, uns freuen am Gewesenen, stolz sein auf Geleistetes, Verpasstes bedauern, vielleicht auch Verluste betrauern. In der "vollendeten Zukunft", also dann, wenn sogar die Zukunft zu Ende ist, stehen wir am Ende unseres Lebens. Wann dies sein wird, das weiss niemand von uns. Es ist jedoch die einzige Gewissheit, die wir haben, nämlich die, dass jede, jeder von uns sterben wird. Bestenfalls sind wir darauf vorbereitet - so gut das halt geht, angesichts der Offenheit von alledem.
Was wir aber tun können, heute, gerade jetzt, ist uns zu überlegen, wie wir denn gelebt haben möchten - dann, in ferner Zukunft, oder in näherer Zukunft, oder...dann halt, wenn es so weit ist, dass wir unsere Zukunft vollendet haben werden.
Wie möchte ich gelebt haben? Was will ich gesagt haben? Was will ich ganz sicher gemacht haben?
Am besten ist es, wir setzen uns jetzt gleich hin und überlegen uns das. Und machen uns unmittelbar daran, es umzusetzen. Denn Mark Aurel hat schon recht, wenn er sagt:" "Wie du am Ende deines Lebens wünschest gelebt zu haben, so kannst du jetzt schon leben."
Natürlich kann nicht jede von uns jetzt gleich die Koffer packen und abreisen in den sonnigen Süden, um dort zu bleiben.
Die Frage ist wohl, ob die Idee des Lebens im sonnigen Süden (nehmen wir das jetzt einmal als Beispiel) die letztendliche Antwort ist auf das wirkliche, tief liegende Bedürfnis. Ist es das, was wir am Ende des Lebens gelebt haben möchten? Oder geht es vielleicht um etwas anderes? Um Leichtigkeit? Um Genuss? Darum, sich im eigenen Körper wohl zu fühlen? Um Gemeinschaft (von der man hofft, es gebe sie auf der fantasierten italienischen Piazza im idyllischen Dörflein am Meer)?
Ich vermute, meist geht es um solche Sachen, wenn wir von unseren Träumen reden. Wenn dem so ist, dann kann man wirklich sofort anfangen, das Leben entsprechend einzurichten. Dann ist es im Grunde genommen einfach und wird sowieso gut. Dann pflegen wir Gemeinschaft und Verbundenheit, gestalten unsere Umwelt so, dass es sich gut darin leben lässt, lassen fünf auch einmal gerade sein, gehen spazieren oder rollen die Yogamatte aus.
Wenn es denn aber tatsächlich das Leben im Süden sein muss, wenn dies DAS tief liegende Bedürfnis ist - dann ist es sicher empfehlenswert, sich sofort daran zu machen, diesen Traum Realität werden zu lassen. Denn wie gesagt, wir wissen nie, wann wir in der vollendeten Zukunft angekommen sein werden.
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