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Liebe, Glück, Freundlichkeit

Bald ist Valentinstag. Gefeiert werden soll die Liebe - mit Blumen, Plüschherzen, zärtlichen Worten. Für viele ist der 14. Februar ein Tag zum Feiern, für viele aber auch nur eine gute Werbestrategie. Liebe aber möchten, ja brauchen wir alle. Von ihr versprechen wir uns Glück. Was aber, wenn wir gerade keine Liebe empfinden? Wenn die Glückshormone nicht fliessen? Hier ein Plädoyer für die kleine Schwester der Liebe - die Freundlichkeit.

Vor langer Zeit las ich in einem Interview mit einem Paartherapeuten, dass die meisten Liebesbeziehungen nicht an mangelnder Liebe zerbrechen, sondern an mangelnder Freundschaft. Diese Beobachtung hat mich überrascht und beeindruckt. Und seither habe ich viel gesehen und erlebt, das mich von ihrer Richtigkeit überzeugt hat. Nicht nur Ehe- und "Liebes"paare gehen oft überraschend unfreundlich miteinander um, sondern auch Menschen in anderen Beziehungskonstellationen, von denen man liebevolles Miteinander erwarten würde - zum Beispiel Eltern und Kinder.


Zugleich weiss jeder einigermassen lebenserfahrene Mensch, dass man das Gefühl der "Liebe" nicht unendlich lange und ununterbrochen aufrecht erhalten kann. Wie jedes andere Gefühl kommt und geht sie, erlebt sie Höhenflüge und dunkle Phasen. Nicht immer findet man den Partner, das Kind anziehend oder liebenswert; nicht immer löst die Partnerin dieses schöne, warme Gefühl in einem aus, das man so gerne mag; nicht immer weckt das Kind in einem mütterliche oder väterliche Gefühle. Und manchmal ist die Liebe einfach nicht sehr spürbar, nicht präsent, weil einen anderes fordert, weil anderes die Aufmerksamkeit verlangt oder auch einfach, weil man müde ist und gar nicht viel fühlen mag.

Wie schade, wenn sich dann Verhaltensweisen, Worte und eine Nachlässigkeit einschleichen, die Verletzungen hinterlassen, Unglück erzeugen, Wege verbauen, die Welt grau erscheinen lassen.


An dieser Stelle lohnt sich ein Blick in die Philosophie. Die klassische griechische Philosophie unterscheidet drei Arten der Liebe, und diese Unterscheidung führt uns zum zentralen Gedanken dieses Beitrags. Da gibt es EROS, die leidenschaftliche Liebe, die oft am Anfang einer romantischen Beziehung spürbar ist. Menschen lieben es, dieses Gefühl, das die Knie weich werden und die berühmten Schmetterlinge im Bauch tanzen lässt. Und es ist eine Spielform der Liebe, die wichtig ist, denn dieser körperliche Aspekt stellt oft den ersten Schritt einer Beziehung dar, die zu etwas Tieferem frühren kann.


Die zweite Form der Liebe ist nach diesem Konzept die PHILIA, die freundschaftliche Liebe, dier wir jedem Wesen gegenüber fühlen können. Freundesliebe führt Menschen zusammen, die gemeinsame Interessen, Eigenschaften, Lebenseinstellungen teilen. In romantischen Beziehungen baut PHILIA auf EROS auf und führt auf eine tiefere Ebene des Vertrauens und der Zweisamkeit.


Die dritte Form der Liebe ist die höchste Form, die Form, nach der wir uns alle wahrscheinlich aus tiefster Seele sehnen: AGAPE, die bedingungslose Liebe. Jemanden bedingungslos zu lieben bedeutet, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, alles zu akzeptieren, was diesen Menschen ausmacht und bereit zu sein, alles zu geben, ohne dasselbe als Gegenleistung zu erwarten.


Allein diese Unterscheidung zeigt, dass Liebe eine komplexe Sache ist, etwas, das wächst, sich wandelt, kommt und geht, Raum braucht und Zeit. Welche dieser drei Formen nun die wesentlichste sei, ob es alle drei brauche oder nur einzelne Aspekte, das sei dahin gestellt und muss sicher von Situation zu Situation bedacht werden. Sicher ist aber, dass die Liebe an sich etwas ist, das wir Menschen brauchen und das uns immer wieder glücklich machen kann. Sicher ist auch, dass sie nicht nur in romantischen Zweierbeziehungen zu finden ist, sondern so gross, dass sie Menschen, die Natur, das Universum umfassen kann.


Um nun aber diesem grossen Gefühl den nötigen Entwicklungsraum zu geben, sie quasi alltagstauglich zu machen und Bedingungen zu schaffen, dass sie nicht einen frühzeitigen Tod stirbt durch Verhungern, Vergiftung oder Schlimmeres, kann man ein einfaches und sehr wirksames Verhalten einüben: FREUNDLICHKEIT.


Von Aesop kennen wir den Satz:

"Kein Akt der Freundlichkeit, und sei er noch so klein, ist vergebens."

Freundlichkeit kann man einüben - unabhängig davon, ob wir jemanden mögen oder nicht, ob wir müde sind oder von Problemen geplagt. Freundlich sein ist ganz einfach, und wenn man es oft genug bewusst übt - es ist wie mit dem Autofahren -, geht es irgendwann automatisch.

Seien wir also freundlich! Nicht nur der Chefin gegenüber oder zu jemandem, von dem wir einen Gefallen erbitten, sondern - gerade! - den Menschen gegenüber, mit denen wir unser Leben teilen. Mit ihnen haben wir es am schwersten, denn sie sind um uns, ob wir sie nun suchen oder nicht. Im Umgang mit ihnen erfahren wir uns selbst in unserer Pracht, aber auch in unserer Niedertracht. Mit ihnen müssen wir klären, was uns und ihnen gut tut und was nicht. Was für eine Chance, wenn man dies freundlich tun kann.


Und nicht zuletzt: seien wir freundlich mit uns selbst. Unterstellen wir uns selbst, wie den anderen auch, dass wir "es" im Grunde genommen gut machen wollen, und es manchmal leider misslingt. Seien wir auch freundlich mit uns selbst, wenn es uns nicht gut geht, wenn wir nicht stolz sind auf uns selbst - und wenn wir uns ertappen dabei, dass wir unfreundlich waren zu jemand anderem. Denn aus dieser grunsätzlichen Haltung der Freundlichkeit heraus wird es uns möglich, Raum zu schaffen für die verschiedenen Formen der Liebe, die wir doch so sehr brauchen und erfahren möchten.

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