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Kreativität und Lebenskraft

Kennst du einen wirklich kreativen Menschen? Bestimmt kommt dir jemand in den Sinn, der oder die malt, wunderschöne Blumengestecke macht oder Holztiere schnitzen kann. Kreativität ist aber viel mehr - und sie hängt direkt zusammen mit dem Fliessen von Lebenskraft und Energie.

Betrachten wir die Natur um uns herum, stellen wir leicht fest, dass diese strotzt vor Energie und zweckgerichteter Aktivität. Vögel erwachen in aller Frühe und singen dem Morgen entgegen. Pflanzen spriessen aus dem Boden hervor, Wolken türmen sich auf und zerfallen, Gewitter krachen. Wellen schlagen gegen die Küsten, Stürme brausen und die Sonne erzeugt unaufhörlich unfassbare Mengen an Energie. Die Physik lehrt uns, dass das ganze Universum nichts anderes ist als ein einziges, pulsierendes Energiefeld. Und wir Menschen sind Teil davon. Physikalisch gesehen ist unser Körper verdichtete Energie, ein dynamisch pulsierendes Energiefeld.


Die meisten von uns verstehen ihren Körper als etwas Festes und den dazu gehörenden Geist als substanzlos. Für sie ist es schwierig zu verstehen, dass Körper und Geist in einem engen Zusammenspiel stehen.

Sehr schön dargestellt finden wir die verschiedenen Ebenen oder auch Qualitäten der Lebensenergie in der Yogaphilosophie, dort im Bild der fünf Koshas, also der Schleier, die das eigentliche Selbst verhüllen. Dass der lebende Körper nicht nur aus festem Material besteht, kann gut beobachtet werden, wenn man an einen toten Menschen denkt. Da ist die feste Masse wohl noch da, aber es fliesst keine Energie mehr. Der Atem hat aufgehört, Blut, Hormone, Gedanken und Gefühle strömen nicht mehr. Mensch sein bedeutet also, dass Festes und Substanzloses in enger Verbindung stehen und funktionieren. Manchmal können wir dieses Zusammenspiel beeinflussen und steuern - zum Beispiel, wenn wir unsere Gedanken lenken oder unseren Atem steuern, manchmal aber auch nicht - zum Beispiel, wenn Hormone ausgeschüttet werden.


Wir Menschen sind Teil der Schöpfung, in uns fliesst Lebensenergie, und wenn wir uns müde, erschöpft oder krank fühlen, dann stockt der uns innewohnende Energiefluss, so lehrt uns der Yoga. Umgekehrt fühlen wir uns wohl und lebendig, wenn wir die uns innewohnende Energie zum Fliessen bringen und sich ausdrücken lassen. So wie der Vogel am Morgen singt, die Knospe im Frühling aufbricht, so ist es dem Menschen ein Bedürfnis, die ihm innewohnende Schöpferkraft auszudrücken. Kann dies nicht geschehen, wird er zerstörerisch - entweder sich selbst, anderen oder der Umwelt gegenüber. Kreativität (und diese ist nichts anderes als gelebte Schöpferkraft) bringt unsere Lebensenergie zum Fliessen. Sie ist also einerseits Ausdruck dieser Energie und kurbelt sie zugleich an. Fühlt man sich also ausgelaugt, erschöpft, chronisch müde, findet sich der Schlüssel zu mehr Wohlbefinden oft im Moment des schöpferischen Tuns, zum aktuellen Zeitpunkt, genau jetzt.


Die Schöpferkraft äussert sich dabei keineswegs nur in künstlerischer Betätigung. Vielmehr ist letztendlich die bewusste Gestaltung des eigenen Lebensweges ein hoch kreativer Akt. Es braucht Fantasie, Tatkraft, Mut seinen Weg zu suchen und zu gehen. Dabei entdeckt man dann, vielleicht auch auf vielen mühsamen Umwegen, was man gerne macht und mit der Zeit auch gut kann. Man wird aktiv und gestaltet etwas: den Garten, ein Mittagessen, einen Brieftext, einen Strickpullover, die Möbelanordnung im Kinderzimmer. An dieser Stelle wird aber auch deutlich, dass nicht jede Aktivität schöpferisch und kreativ ist und so ihre Heilkraft entfalten kann. In dem Moment, wo schöpferisches Tun in Produktion mündet, verändert sich deren Qualität grundlegend. Jede Mutter, jeder Vater, die oder der täglich ein Mittagessen unter Zeitdruck auf den Tisch bringen muss weiss, dass Kreativität hier oft an einem kleinen Ort zu finden ist. Ganz anders wird es, wenn man Zeit hat zum Kochen und vielleicht sogar frisch geerntetes Gemüse dabei verarbeiten kann. Da wird Freude aufkommen, weil man gestalten kann, im Kontakt mit dem Lebendigen steht.


Wenn wir wollen, dass es uns gut geht, dass wir uns lebendig und wohl fühlen, hilft es, wenn wir uns an die uns innewohnende Schöpferkraft erinnern und dieser versuchen, Ausdruck zu verleihen. Mit jedem Strich, den wir malen, mit jeder Pflanze, die wir liebevoll setzen, mit jedem Wort, das wir einem Herzenstext zufügen, mit jedem Ton, den wir singen weiten wir die Enge, die das Fliessen der Lebensenergie blockiert. Wir fühlen uns wieder als Teil des grossen Ganzen, fügen uns wieder ein in den grossen Tanz der Natur und können daran teilhaben. Dann sind wir auch hilfreich und konstruktiv, werden immer mehr zu angenehmen Zeitgenossen und können dazu beitragen, dass die Welt ein guter, vielleicht sogar besserer Ort wird.



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