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Annehmen, was ist - und glücklich sein

Es gibt wenige Begriffe, die so missverstanden werden, wie derjenige der Akzeptanz, des Annehmens. Etwas annehmen meint keineswegs, dieses für gut zu befinden. Jemanden zu akzeptieren heisst nicht unbedingt, sein Verhalten gutzuheissen. Seine Lebensumstände anzunehmen bedeutet nicht, zu resignieren und sich dem Unglück hinzugeben. Im Gegenteil! Annehmen, was ist, ist eine Grundvoraussetzung für Zufriedenheit, ja sogar Glück.

Wir Menschen bewegen uns oft zwischen zwei gegensätzlichen Grundgefühlen: wir mögen etwas, oder wir mögen es nicht. Das, was wir mögen, möchten wir behalten. Das was wir nicht mögen, möchten wir loswerden. Manchmal geht das problemlos. Wenn ich an der Sonne liege und mir angenehm warm ist, kann ich liegenbleiben. Wenn der Schatten kommt, kann ich meinen Liegeplatz an die Sonne verschieben. Wenn mir zu warm ist, kann ich den Schatten aufsuchen. Ebenso kann ich den Kontakt mit Menschen, die mir gut tun, suchen und pflegen. Menschen, die mir gefühlsmässig nicht gut tun, kann ich meiden.


Doch meistens geht das nicht so einfach, wir alle wissen es. Es gibt unzählige Umstände und Geschehnisse, die uns ärgern, schmerzen, plagen, die sogar sehr lange Zeit ihren Schatten auf unser Leben werfen. Es sind dies Umstände, die wir aus guten Gründen nicht mögen, verurteilen, die uns traurig machen, und die wir am liebsten ungeschehen machen würden. Doch das geht nicht, weil es nicht in unserer Macht liegt. Vielleicht sind dies Umstände, in die hinein wir geboren wurden. Vielleicht sind es Verhaltensweisen von Menschen, von denen wir uns nicht so einfach trennen können. Vielleicht sind es Krankheiten oder Unfälle, die uns oder unsere Liebsten ereilen, denen gegenüber wir machtlos sind.


Wenn wir uns nun Zeit nehmen, in uns hineinzuspüren und wahrzunehmen, wie genau diese unangenehmen, negativen Gefühle beschaffen sind, dann fällt uns auf, dass die eine Sache der Umstand oder das Geschehen selbst ist, das schmerzt. Eine weitere Sache aber ist, dass wir uns gegen den Schmerz wehren. Wir tun ganz viel, um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Vielleicht ärgern wir uns über uns selbst, dass wir unzufrieden sind. Oder wir versuchen, es zu überdecken - mit Alkohol, Medikamenten, Selbstdisziplin. Oft genug erzählen wir uns selbst und anderen sogar die schlimme Geschichte unseres Leidens immer und immer wieder - und sorgen so dafür, dass sie lebendig bleibt, auch wenn wir das gar nicht beabsichtigen.


Die Positive Psychologie und die Glücksforschung nun empfehlen uns, Umstände und Geschehnisse, die wir nicht beeinflussen können, anzunehmen. Und auch die schmerzhaften Gefühle, die damit einher gehen, zu akzeptieren. Akzeptanz bedeutet, eine offene und interessierte Einstellung allem gegenüber zu entwickeln, was der Fluss des Lebens an uns heranträgt. Damit können wir dem, was uns begegnet, bewusst gegenübertreten, es verstehen lernen und damit auch Lösungen näherkommen. Lösungen sind in diesem Fall halt oft nicht das "Ungeschehen-machen", gerade, wenn es sich um Krankheiten oder Lebensumstände handelt, die wir nicht heilen können. Aber wir können lernen, verständnisvoller damit umzugehen, spüren, was wir brauchen, damit es uns besser geht.


Widerstand oder Verdrängen, sie beide brauchen viel Kraft, die wir besser nutzen könnten. Eine offene, annehmende Haltung sowohl den angenehmen als auch den unangenehmen Dingen gegenüber ermöglicht uns, den Wandel, dem wir so oder so unterworfen sind, oder die Umstände nach unseren Möglichkeiten zu gestalten. Sie hilft uns auch zu erkennen, welche Aspekte unseres Lebens wir verstärken wollen, und welche es loszulassen gilt. Und genau da liegt die Quelle der Zufriedenheit und des Glücks: im Moment leben, diesen auskosten und sehr bewusst Akzente setzen.


Was bedeutet dies nun für die Arbeit mit der eigenen Biografie? In jedem Leben gab und gibt es harte Phasen. Sie bringen uns Leid im Moment, machen uns aber zugleich auch erfahrener und stärker. In der Rückschau erkennen wir meist, dass es immer wieder Menschen gab, die uns unterstützten. Dass wir auf Ressourcen zurückgreifen konnten, die wir bisher nicht wahrgenommen hatten. Indem wir all das annehmen, was der Fluss des Lebens an uns herangetragen hat, hadern wir nicht mit dem Schicksal, sondern akzeptieren es als Teil der Biografie, die uns zu der Person gemacht hat, die wir geworden sind. Wir anerkennen und würdigen das Schwere, bemerken vielleicht auch die Trauer oder den Schmerz, die das ausgelöst hat. Wir fokussieren dann aber auch unsere Ressourcen, das, was wir gelernt haben, das, was uns jetzt weiterbringt. Meist staunen wir dann ob der Weisheit des Lebens, ob seines Reichtums. Und wir freuen uns an uns selbst, weil wir es so gut gemacht haben, wie es uns eben möglich war, weil wir so viel geschafft haben, und weil wir entdecken, dass wir uns entwickeln. Wie schön!


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